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„Aus! Aus! Das Spiel ist aus!“ Die Ulmer Fans stürmen den Platz. Foto: Markus Hirsch

Ulm – In Ulm und um Ulm herum herrscht wieder große Fußball-Euphorie. Der SSV Ulm macht das fast unmöglich Geglaubte möglich: Dem Traditionsklub aus der Donau-Stadt gelingt ein sensationeller Durchmarsch und nach 23 Jahren endlich die Rückkehr in die zweite Bundesliga.

Als der SSV 1846 Ulm zum ersten und für lange Zeit auch letzten Mal den Sprung in die zweite Bundesliga schaffte, drückte der Autor dieser Zeilen noch die Schulbank. Fast ein Vierteljahrhundert ist das nun her, und trotzdem haben viele Fußball-Freunde diese kultige Zeit noch in bester Erinnerung. Falls dem nicht so sein sollte, hier eine kleine Geschichtsstunde, um das Gedächtnis ein wenig aufzufrischen: Wir schreiben das Jahr 1997, als ein gewisser Ralf Rangnick, heute Trainer der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft, vom Ulmer Erzrivalen SSV Reutlingen zu den Schwarz-Weißen wechselt. Der stoisch wirkende Mann mit der Brille verleiht den „Spatzen“ Flügel, spielt neumodischen Fußball mit Viererkette, Raumdeckung und ballorientiertem Pressing. Heute längst Standard auf den Bolzplätzen, damals fast schon Zauberei. Legendär ist vor allem bis heute jene Szene, in der Rangnick seine Taktik im Aktuellen Sportstudio an einer Magnetwand zu erklären versucht, was ihm schnell den nicht immer als Kompliment gemeinten Spitznamen „Der Professor“ einbringt. Gestört haben dürfte den Fußballlehrer aus Backnang das nur wenig, denn dank seines frischen Konzepts stürmten die Ulmer von der Regionalliga Süd (damals die dritthöchste Spielklasse) unaufhaltsam in Liga 2, wo sie sich plötzlich als ungeschlagener Tabellenführer wiederfanden. Doch das Märchen endete beinahe, als der VfB Stuttgart zur Winterpause der Saison 2000/2001 zuschlug und sich die Dienste Ralf Rangnicks sicherte. Ein herber Rückschlag für die Ulmer, die sich davon aber nicht entmutigen ließen. Rangnicks Nachfolger Martin Andermatt rettete den Aufstieg auf Platz 3 ins Ziel. Das kleine Ulm spielte nun erstklassig, die Konkurrenten hießen ab jetzt Bayern, Dortmund und Stuttgart. Allesamt Gegner, die sich letzten Endes doch als eine Nummer zu groß erweisen sollten. Nach zunächst gutem Start in die Saison gerieten die Spatzen schließlich ins Straucheln und mussten auf Platz 16 liegend erneut den schweren Gang in die zweite Liga antreten. Zu nah an die Sonne geflogen und dabei die Flügel verbrannt, so ließ sich die damalige Situation zusammenfassen. Aber Ulm wäre nicht Ulm, wenn es nicht noch dramatischer gekommen wäre. Statt sich erneut in Liga 2 zu behaupten, folgte der Absturz ins Bodenlose. Nach einer desolaten Saison ging es zurück in die Regionalliga, es folgte die Insolvenz, der Traditionsklub war damit am Ende und wurde schließlich durchgereicht bis in die Verbandsliga. Daraufhin verschwand der SSV für viele Jahre in der Bedeutungslosigkeit.

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Die Fans feierten den Aufstieg bis zum Umfallen. Fotos: Alexander Koschny

Wie Phönix aus der Asche

Der Weg des SSV Ulm zurück in den Profifußball war lang und beschwerlich. Nach Jahren in der Oberliga stabilisierte sich der Club ab der Saison 2016/2017 langsam wieder in der Regionalliga. Im Juli 2021 übernahm schließlich Thomas Wörle das Ruder als Cheftrainer des SSV. Der heute 42-Jährige trainierte zuvor erfolgreich das Frauenteam des FC Bayern München – mit den Damen wurde er zweifacher deutscher Meister. Die Spatzen waren für den gebürtigen Krumbacher die erste Station im Herren- ­fußball, mit dem Traditionsclub gelang ihm der Aufstieg in die dritte Liga, damals noch mit bescheidenem Anspruch: Die Klasse halten! 36 Spieltage später standen die Ulmer an der Spitze der Tabelle und machten am 4. Mai den Aufstieg perfekt. Der Gegner an diesem Tag hieß Viktoria Köln, eine Mannschaft aus dem grauen Mittelfeld der dritten Liga. Eine kleine Delegation von einigen Dutzend Fans war aus der Rhein-Metropole angereist und machte es sich im spärlich besetzten Gästeblock bequem, während der Rest des mit 17.000 Plätzen ausverkauften Donaustadions aus allen Nähten platzte. Bei sonnigen Temperaturen und unter strahlend blauem Himmel erlebten die euphorisierten Fans eine dominante Vorstellung ihres Clubs. Nach einer ereignisreichen aber torlosen ersten Hälfte ließ der Brasilianer Léo Scienza die Fans dann nicht länger warten und verwandelte in der 59. Minute souverän einen Elfmeter. Fünf Minuten später machte der 22-Jährige, in Wolfsburg ausgebildete Mittelfeldspieler Max Brandt dann den Sack endgültig zu. Ab hier gab es für die jubelnde Menge kein Halten mehr, mit dem Schlusspfiff stürmten sie den Platz und feierten ausgelassen mit der Mannschaft. „Nie mehr dritte Liga!“, skandierten viele. Den Ulmern wäre es zu wünschen, denn der erneute Aufstieg des schwer gebeutelten Traditionsvereins verkörpert für viele Fußballromantik pur. Ein schwäbisches Sommer-Märchen, das diesmal hoffentlich ein gutes Ende nimmt. 

Problemfall Donaustadion

Etwas in die Jahre gekommen ist es schon, das Ulmer Donaustadion. Fast 100 Jahre hat das Bauwerk nunmehr auf dem Buckel. Die Fans lieben das kleine Stadion, das mit großer Atmosphäre begeistert. Doch trotz aller Geschichtsträchtigkeit und Fanliebe erweist sich das Stadion für den Aufstieg der Ulmer Spatzen als Problem, denn aktuell verfügt es noch nicht über die nötige Infrastruktur für die zweite Bundesliga. In Hinblick auf Flutlicht, Rasenheizung und Medienplätze besteht in Ulm derzeit noch großer Nachholbedarf, schon in dieser Saison mussten die Spatzen in den Wintermonaten nach Aalen ausweichen. Weiterhin auf dem Plan stehen die Einrichtung eines Glasfasernetzes und es müssen Voraussetzungen für die Torlinientechnologie geschaffen werden. Keine leichte Aufgabe, besonders in der Kürze der Zeit. Dennoch muss der der SSV Ulm nicht um den Aufstieg bangen, da der DFL dem Traditionsclub zunächst eine Ausnahmegenehmigung für die zweite Liga erteilt hat. Bei den Kosten für die Umbaumaßnahmen wird derzeit mit rund zehn Millionen Euro gerechnet. Offen ist allerdings noch, wie die Umbaumaßnahmen finanziert werden sollen, denn im städtischen Haushalt ist kein Budget dafür vorgesehen. Denkbar ist allerdings, dass die Stadt die Summe vorstreckt und der Verein diese in den nächsten Jahren zurückzahlt. Zudem wurde jüngst ein amerikanischer Investor gefunden.

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Autor: Alexander Koschny



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