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4. Wurzacher Wirtschaftsgespräch des HGV

MdB Benjamin Strasser betont die Wichtigkeit der Schuldenbremse



Foto: Uli Gresser
MdB Benjamin Strasser und Moderator Friedrich-Thorsten Müller

Bad Wurzach – Benjamin Strasser aus Berg bei Ravensburg, seines Zeichens FDP-MdB und Staatssekretär im Bundesjustizministerium, war Gast des vom HGV veranstalteten und von Friedrich-Thorsten Müller moderierten vierten Bad Wurzacher Wirtschaftsgesprächs, zu dem etwa 35 Unternehmer und Bankmanager in den Sitzungssaal in Maria Rosengarten gekommen waren.

Es war das erste Mal, dass der HGV nach einer dreijährigen Corona-Pause seine Mitglieder wieder zum Wirtschaftsgespräch einlud. Den Kontakt zu Strasser hatte Manuel Haberer vermittelt, die beiden kannten sich schon von den „jungen Unternehmern“ Oberschwabens. Benjamin Strasser stammt aus einer Unternehmerfamilie, ist Jurist, er hatte in Konstanz studiert, sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag und ist seit 2021 Staatssekretär im Justizministerium.

Bürgermeisterin Alexandra Scherer sagte in ihrem Grußwort, nachdem die HGV-Vorsitzende Christiane Vincon-Westermayer die Begrüßung übernommen hatte: „Es kommt sehr selten vor, dass eine Kommune so direkt Fragemöglichkeit an einen Abgeordneten erhält.“ Das vom HGV vorbereitete Thema Bürokratieabbau betreffe Stadtverwaltung und Wirtschaftsvertreter gleichermaßen.

Es helfe niemanden, die Probleme nur anzuschauen, sondern man müsse auch Lösungsmöglichkeiten suchen, meinte Strasser, nachdem er seinen beruflichen Werdegang kurz skizziert hatte. Eine Karriere in der Politik sei schlicht nicht planbar. „Es ist daher für mich ein wahnsinniges Privileg, Politik zu machen und in Zeiten multipler Krisen Verantwortung zu übernehmen.“ In solchen Krisenzeiten sei die Schuldenbremse für den Staat essentiell, um seine Aufgaben leisten zu können. Aber es sei auch von Bürgern und Unternehmen Eigeninitiative gefordert.

Moderation: Friedrich-Thorsten Müller

Moderator Friedrich-Thorsten Müller führte im Verlauf des Abends in acht wirtschaftspolitische Themen ein. Er öffnete die Fragerunde mit der geplanten Rückkehr in der Gastronomie auf den alten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Strasser sagte dazu, der Widerstand gegen eine Beibehaltung der 7-Prozent-Regelung sinke bei Rot und Grün.

Weitere Statements des Abgeordneten: Die CO2-Abgabe solle nicht in den allgemeinen Staatshaushalt einfließen, sondern als Klimaabgabe zurückgegeben werden.

„Die Schuldenbremse ist essentiell, eine Aufhebung würde plötzlich weitere Forderungen nach sich ziehen. Ausserdem wäre eine Abschaffung ein Inflationstreiber.

Bei höheren staatlichen Investitionen würde die private Investitionsneigung abnehmen. „Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um Anreize zu geben.“

Es gebe viele Sondervermögen, die teilweise noch aus der Adenauer-Zeit stammen. Diese Sondervermögen, die nichts anderes seien wie ausgelagerte Schulden, wolle die Ampelkoalition reduzieren.

Zum Thema Industrie-Strompreis sagte er: „Ich glaube dieses Thema wird mitentscheidend sein.“ Er gab zu bedenken, dass der Energiepreis schon vor dem Ukraine so hoch war, weil man sich von Russland so abhängig gemacht hatte. Strasser nannte die Vorstellung illusorisch, von der Energieabhängigkeit wegzukommen. Eine Stromsteuersenkung alleine sei nicht ausreichend. Daher suche man Partnerschaften mit Ländern, wo viel die Sonne scheint, aber soll auch viel Geld in die Wasserstoffproduktion und in die Forschung zur Kernfusion fließen. Aber auch Gas und Öl würden weiterhin Themen bleiben. Er fordert auch, mehr auf die heimischen Resourcen – wie etwa Erdgas aus der Nordeee – zu setzen. Nachholbedarf sieht er in Deutschland, das sich sehr auf Wärmewende und E-Mobilität fokussiert hat, auch beim Thema E-Fuels. Daher suche man strategische Partnerschaften mit demokratischen Ländern wie Australien und Neuseeland. Oder mit Afrika, wo man durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Export von Energie auch das Problem der Migration entschärft werden könnte.

Bürgermeisterin Scherer sagte dazu, die Chefs der energieintensiven Industrie in Bad Wurzach wollten nicht abhängig sein von Subventionen auf Energiepreise. Auch sie wünsche sich in dieser Causa eine ideologiefreie Herangehensweise. Auf die Zwischenfrage von Müller zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken sagte Strasser: „Das große Problem ist dabei doch die noch nicht gelöste Frage der Atommüllentsorgung.“

Zur verdoppelten Lkw-Maut meinte der Bundestagsabgeordnete, dies sei eine Entscheidung der EU gewesen. Und weiter zur Verkehrssituation: „Der Zustand des deutschen Schienennetzes ist desaströs!“

„Keine Einbürgerung für Antisemiten“

Beim Thema Fachkräftemangel kontra Asylgesetz sagte er: „Die Integration wurde jahrzehntelang dem Zufall überlassen.“ Seit 1997 gebe es das erste Einwanderungsgesetz. Nun sei geplant, ein Punktesystem wie in Kanada einzuführen. „Denn wir brauchen Arbeitskräfte auf jedem Gebiet.“ Dafür müsse man auch den Botschaften, in deren Aufgabengebiet die Visaerteilung fällt, Beine machen. Des weiteren strebe man ein dauerhaftes Bleiberecht für Integrierte an sowie einen Maßnahmenkatalog, der die Abschiebung erleichtern. Aktuell sei vieles in Bewegung, etwa bei der Reduzierung von Sozialleistungen, was verfassungsrechtliche Probleme aufwerfe. Oder beim Staatsangehörigkeitsrecht, wo die Anwartscßhaft von acht auf fünf Jahre reduziert werden soll. Nach dem jüngsten Überfall auf Israel durch die Hamas soll auch ein Antisemitismuspassus in das Gesetz. „Wer Antisemit ist soll keine deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.“

Optimistisch, dass es zu Umsetzungen kommt, zeigt sich Strasser auch beim Thema Bürokratieabbau: „Bisher wurden für die Umsetzung von Maßnahmen immer die Ministerien gefragt, nun werden dazu die Betroffenen selbst gefragt.“ Beim Bürokratie-Entlastungsgesetz sieht er den Ball beim Europäischen Parlament: „Hier muss EU-Recht geändert werden, weil 57 Prozent der Probleme von EU-Gesetzen kommen.“ Wichtig dabei sei, dass der Druck von vielen Seiten, wie etwa den Kommunen beim Vergaberecht komme.

Beim Thema Rentenversicherung (Stichwort Aktien-Rente) plädiert Strasser für ein – je nach Lebenslauf (Ausbildung, Akademiker) – flexibles Renteneintrittsfenster, um den Menschen gerecht zu werden.

Appell von Scherer und Kunz

Bürgermeisterin Scherer und Stadtkämmerer Stefan Kunz meldeten sich unter dem Stichwort „Herzensangelegenheiten“ zum Thema Digitalisierung zu Wort. In Bad Wurzach als große Flächengemeinde wurde und werde in nächster Zeit viel Geld investiert. Es werden immens große Ausgaben als Eigenanteil fällig, obwohl der Breitband-Ausbau nicht zu den kommunalen Aufgaben gehört, gaben sie dem Abgeordneten nach Berlin mit.

In seinem Schlusswort sprach Strasser den Anwesenden Mut und Hoffnung zu, dass auch die Krisenzeiten vorbeigehen. „Wir haben in solchen Zeiten Verantwortung übernommen und laufen nicht vor ihnen davon.“ Als Erfolge nannte er die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Kanada, die Abschaffung der kalten Progression und „wir haben in vielen Bereichen eine Trendwende eingeleitet.“
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